Die Tibetische Zentralverwaltung trauert um Takna Jigme Sangpo

Huldigungen aus aller Welt gingen ein, als bekannt wurde, dass der ehemalige politische Gefangene, der fast die Hälfte seines Lebens in chinesischer Gefangenschaft und den Rest seines Lebens im Exil, wo er unermüdlich für die Sache Tibets kämpfte, verbracht hatte, im Alter von 91 Jahren verstorben ist. Takna Jigme Sangpo, der am längsten inhaftierte politische Gefangene Tibets, verschied am 17. Oktober frühmorgens in einem Altenheim in Turbenthal, Schweiz. Dort lebte er, seit er 2003 politisches Asyl erhalten hatte, ein Jahr nachdem seine 37 Jahre währende Gefangenschaft in chinesischer Haft zu Ende war.

Der Präsident der Tibetischen Zentralverwaltung, Dr. Lobsang Sangay, brachte sein tiefes Beileid zum Ausdruck: „Seit den Tagen meiner Jugend bewunderte ich seinen Mut. Es war mir eine Ehre, ihm persönlich zu begegnen und ich war auch bei der Präsentation seiner Autobiographie in Dharamsala dabei. Wir haben einen wahren tibetischen Patrioten verloren“.

Mit 37 in chinesischen Gefängnissen verbrachten Jahren war Takna Jigme Sangpo der tibetische Gefangene mit der längsten Haftzeit. Wie berichtet, wurde er erstmals 1960 in Lhasa festgenommen, wo er Grundschullehrer gewesen war. Ihm wurde vorgeworfen, „die Gemüter der Kinder mit reaktionären Ideen zu verderben“.

1964 wurde er zu drei Jahren Haft im Sangyip Gefängnis, einer Anstalt zur „Umerziehung durch Arbeit“, verurteilt, weil er die Unterdrückung der Tibeter durch China angeprangert hatte. Und dann wurde er erneut 1970 wegen „konterrevolutionärer Propaganda“ zu zehn Jahren Haft im Sangyip Gefängnis in Lhasa verurteilt. Er wurde erwischt, als er versuchte, durch seine aus Tibet fliehende Nichte ein Dokument über das gesetzwidrige Vorgehen der Chinesen an den Dalai Lama zu schicken.

Mit 53 Jahren aus dem Gefängnis entlassen, wurde er 1979 in ein Lager zur „Umerziehung-durch-Arbeit“ nach Nyethang, westlich von Lhasa, verfrachtet, doch am 3. September 1983 wurde er erneut festgenommen, weil er ein mit eigener Hand geschriebenes Plakat voller Kritik an der chinesischen Obrigkeit an dem Haupttor des Jokhang Tempels in Lhasa angebracht hatte. Am 24. November 1983 wurde er zu 15 Jahren Gefängnis und fünf Jahren Entzug der politischen Rechte verurteilt, weil er „konterrevolutionäre Propaganda verbreitet und dazu angestiftet“ habe.

Am 1. Dezember 1988 wurde seine Haftstrafe aus demselben Grunde um weitere fünf Jahre verlängert. Am 6. Dezember 1991 machte Takna Jigme Sangpo wieder den kühnen Versuch eines Einzelprotestes. Bei dem offiziellen Besuch einer Schweizer Delegation rief er aus seiner Zelle auf Englisch „Free Tibet“, was er extra für diesen Anlass auszusprechen gelernt hatte, sowie Slogans auf Chinesisch und Tibetisch. Die chinesischen Beamten versuchten diesen Vorfall kleinzureden und erklärten den Delegierten, er sei „wahnsinnig“. Takna Jigme wurde in der Folge am 4. April 1992 zu weiteren acht Jahren Gefängnis und zusätzlichen drei Jahren Verlust der Bürger- und politischen Rechte verurteilt, womit sich sein Gesamturteil auf 28 Jahre erhöhte, und er bei seiner Entlassung am 3. September 2011, wäre er bis zum Ende seiner Haftzeit eingesperrt geblieben, 41 Jahre im Gefängnis verbracht haben würde.

Als Folge der Zwangsarbeit, der Gräuel im Gefängnis und der unmenschlichen Haftbedingungen waren seine Augen sehr schwach geworden. „Folter und herabwürdigende Misshandlungen, unmenschliche Verhöre, Einzelhaft, Zwangsarbeit und Indoktrinierungen sind die üblichen Vorgehensmethoden, die die chinesischen Behörden in den Gefängnissen Tibets anwenden“, bezeugte er 2003.  Als Ergebnis der anhaltenden Bemühungen der Central Tibetan Administration und der internationalen Gemeinschaft, die von der chinesischen Regierung seine Entlassung forderten, wurde Takna Jigme im März 2002 aus gesundheitlichen Gründen im Alter von 76 Jahren entlassen.

37 Jahre hinter Gittern konnten den Geist von Takna Jigme Sangpo nicht brechen. Im August 2002 ließ er sich als politischer Flüchtling in der Schweiz nieder und setzte sich unaufhaltsam für die Sache Tibets ein. Er trat auch bei diversen Menschenrechtsforen auf und bezeugte die groben Verletzungen der Menschenrechte in dem von China besetzten Tibet. Im April 2003 legte er bei der UN-Menschenrechtskommission Zeugnis darüber ab und sagte: „Dieser alte Mann aus Tibet appelliert an alle Nationen in diesem Saal, den Menschen in Tibet zu einem Ende ihres Leids zu verhelfen. Bitte bewegen Sie die chinesische Regierung, echte Verhandlungen mit Seiner Heiligkeit dem Dalai Lama aufzunehmen, um zu einer Lösung der schon so lange anhaltenden Tibet-Frage im Interesse beider Völker, sowohl des tibetischen als auch des chinesischen, zu gelangen. Das unglückliche tibetische Volk, einschließlich seiner politischen Gefangenen, die ebenso menschliche Wesen sind wie wir alle in diesem Saal, benötigt dringend Ihre Hilfe, ehe es zu spät ist. Ich bete für ein Ende des Leidens aller politischen Gefangenen auf dieser Welt“. Am 6. Juni 2008 trat er vor dem UN-Menschenrechtsrat auf.

Takna Jigme Sangpos Biographie mit dem Titel „Metse Nyongtsor“, herausgegeben von der Gu Chu Sum Bewegung Tibets, wurde am 24. Januar 2014 von Sikyong Dr. Lobsang Sangay in Dharamsala vorgestellt.

2017 erschienen seine Memoiren auf Englisch unter dem Titel „Swirling Red Dust, the story of Tibet’s longest-serving political prisoner“ (zu beziehen über support@tibetwrites.in).

Quellen:

Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM)
Central Tibetan Administration (CTA)