Tibetische Intellektuelle und Schriftsteller werden von der chinesischen Regierung unerbittlich verfolgt und zu langen Haftstrafen verurteilt, nachdem sie oft monatelang an geheimen Orten festgehalten wurden. Tibeter werden verhaftet und zu langen Haftstrafen verurteilt, nur weil sie ihre nationale Identität bekräftigen und ihre Grundrechte zum Schutz der tibetischen Sprache und Kultur wahrnehmen. Es wird einfach behauptet, sie hätten damit einen „Akt des Separatismus“ begangen.

Tibets Schriftsteller stehen unter ständiger Überwachung durch die chinesische Polizei sowie im Internet unter fest installierter Zensur. Die chinesischen Behörden prüfen ihre Schriften gründlich auf Inhalte, die irgendwie gegen Gesetze verstoßen und nach der Definition der Regierung als „illegal“ oder „die nationale Sicherheit gefährdend“ angesehen werden könnten.

Die Definition von Schriften, die als „illegal“ gelten, ist sehr weit gefasst und vage, was es den chinesischen Beamten leichtmacht, Tibeter zu verhaften, die als Bedrohung für die Kommunistische Partei Chinas angesehen werden.

In den meisten Fällen, in denen tibetische Schriftsteller verhaftet werden, gibt es keine konkrete Aussage darüber, welcher Teil ihrer Schriften einen „separatistischen Akt“ und eine „Gefährdung der nationalen Sicherheit“ darstellt.  Es war schon immer eine Besonderheit der chinesischen Regierung, die Urteile tibetischer Gerichte nur oberflächlich zu überwachen und außerordentliche Gefängnisstrafen zuzulassen.

Zu den jüngsten Verurteilten gehören der bekannte Dichter und Autor Rongwo Gendun Lhundup, der gefeierte Schriftsteller Thupten Lodoe (auch bekannt als Sabuchey) und Rongwo Gangkar; die beiden Erstgenannten wurden zu vier Jahren bzw. vier Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt, während sich Letzterer nachweislich in chinesischem Gewahrsam befindet. In den meisten Fällen sind die Anklagepunkte, der Zeitpunkt der Verurteilung und der derzeitige Aufenthaltsort unbekannt.

Rongwo Gendun Lhundup

Wie das Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD) unter Berufung auf zuverlässige Quellen berichtet, wurde dieser bekannte tibetische Schriftsteller, der seit Dezember 2020 nicht mehr gesehen wurde, wegen „Anstiftung zum Separatismus“ zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Rongwo Gendun Lhundup, 48, wurde am 1. Dezember 2021 vom Mittleren Volksgericht in Xining zu vier Jahren Haft und zwei Jahren Entzug der politischen Rechte verurteilt. Chinesische Sicherheitsbeamte hatten ihn am 11. November 2020 im Kloster Rongwo in der Stadt Rebgong (chin. Tongren) in der Tibetischen Autonomen Präfektur Malho (chin. Huangnan) in der Provinz Qinghai festgenommen.

Im Mai wurde berichtet, dass Gendun Lhundup in einem Haftzentrum in Siling (chin. Xining) festgehalten wird. Er wird der politischen Umerziehung unterzogen und es wird von ihm verlangt, tibetisch-buddhistische Schriften ins Mandarin-Chinesische zu übersetzen.

Nach der Veröffentlichung seines jüngsten Gedichtbandes mit dem Titel „Khorwa“ (das buddhistische Konzept des Samsara, das den endlosen Kreislauf von Geburt, Tod und Wiedergeburt beschreibt) wurde er festgenommen und verurteilt. Da er in der Vergangenheit bereits mehrfach verhaftet worden war, stand er unter besonders strenger Überwachung und war während seiner Haft heftigen Einschränkungen ausgesetzt.

Thupten Lodoe alias Sabuchey

Thupten Lodoe, ein 34-jähriger gefeierter tibetischer Schriftsteller, wurde am 14. Juni 2022 unter der Anklage der „Anstiftung zum Separatismus“ zu vier Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Seit seiner Verhaftung im vergangenen Jahr war er acht Monate lang an einem nicht näher bezeichneten Ort inhaftiert.

Medienberichten zufolge wurde Thupten Lodoe, alias Sabuchey, im Oktober letzten Jahres zunächst unter dem Verdacht festgenommen, über Inhalte geschrieben und veröffentlicht zu haben, die als „Gefährdung der Staatssicherheit“ und „Schädigung der ethnischen Einheit“ eingestuft werden. „Anstiftung zum Separatismus“ ist einer der häufigsten Vorwürfe, den die chinesische Regierung gegen Tibeter erhebt, insbesondere gegen Intellektuelle und Schriftsteller, Menschenrechtsverteidiger und Aktivisten. Der gleiche Vorwurf wurde im vergangenen Jahr gegen prominente tibetische Schriftsteller und Gelehrte erhoben, wie Go Sherab Gyatso, Rinchen Tsultrim, Dhi Lhaden und Rongwo Gendun Lhundup.

Alle Versuche, mehr Informationen über die Verhaftung von Sabuchey zu erhalten, waren vergeblich, da die chinesische Regierung mit Sanktionen drohte, falls Familie und Verwandte  irgendwelche Informationen über ihn weitergeben, berichtet das Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD).

Obwohl er verurteilt worden ist, ist nicht klar, wo er festgehalten wird und in welchem Zustand er sich befindet. Einem zweiten Bericht zufolge wird seine Familie derzeit von den örtlichen Behörden bedroht und verwarnt, und seine Kinder dürfen nicht zur Schule gehen.

Rongwo Gangkar

Auch Rongwo Gangkar, ein tibetischer Schriftsteller und Gelehrter, wurde Berichten zufolge von der chinesischen Regierung festgesetzt. Seit Anfang 2021, also seit über einem Jahr, galt er als vermißt.

Wie Radio Free Asia (RFA) berichtet, wurde der 48-jährige Schriftsteller Anfang 2021 abrupt von den chinesischen Behörden verhaftet, wobei über seinen derzeitigen Aufenthaltsort und seinen Gesundheitszustand nichts bekannt ist. Die chinesische Polizei soll ihn in Gewahrsam genommen haben.

Die chinesische Regierung hat weder die gegen ihn erhobenen Vorwürfe noch das Datum seines Prozesses bekannt gegeben.

Rongwo Gangkar gilt mit einer Vielzahl von Veröffentlichungen als renommierter Schriftsteller. Er stammt aus dem Kreis Rebgong (chin. Tongren) in der Tibetischen Autonomen Präfektur Malho (Huangnan) und gehört dem Kloster Rongwo an. Zu seinen populären Werken gehören „Der Knoten“ und „Ein Interview mit Gendun Choephel“.

Die zahlreichen Verurteilungen in jüngster Zeit machen deutlich, dass die chinesische Regierung systematisch gegen tibetische Intellektuelle und Wissenschaftler vorgeht, um ihnen die Möglichkeit zu nehmen, sich für die Bewahrung der tibetischen Sprache einzusetzen. Die Liste tibetischer Schriftsteller und Gelehrter, die auf Betreiben der chinesischen Regierung verhaftet oder verurteilt wurden, nur weil sie sich zu ihrer nationalen Identität bekannten und ihre Grundrechte ausübten, ist lang: Go Sherab Gyatso, Dhi Lhaden, Rongwo Gendun Lhundrup, Pema Tso, Seynam, Rinchen Tsultrim und Kunsang Gyaltsen, von denen einige mit langen Haftstrafen belegt wurden.

Der chinesische Parteistaat muss seine Politik der kulturellen Assimilierung beenden und die Menschenrechte und verfassungsmäßigen Rechte garantieren, indem er alle tibetischen Schriftsteller, Intellektuellen und Kulturschaffenden unverzüglich und bedingungslos freilässt und ihnen ihre Gedanken-, Gewissens- und Meinungsfreiheit zurückgibt.

Quelle:

Central Tibetan Administration, www.tibet.net
Übersetzung: Adelheid Dönges, IGFM München