Das bisher größte Kraftwerk der Welt steht in China: der Dreischluchtenstaudamm am Jangtse. Hunderttausende Menschen mussten damals abgesiedelt werden. Doch das neueste Kraftwerksprojekt Pekings lässt selbst diese Anlage klein aussehen: Ein gigantisches Wasserkraftwerk in Tibet soll dreimal so viel Strom erzeugen.
Umweltschützer und der Nachbar Indien sind alarmiert. Der Riesenstaudamm ist nicht nur ein schwerer Eingriff ins Ökosystem. Die Gletscher des Himalaya sind die Wasserreserve für Milliarden von Menschen, etwa auch für den indischen Subkontinent. China würde mit dem Damm einen Großteil der Wasserversorgung Südasiens kontrollieren.
Der Staudamm ist am Oberlauf des Brahmaputra im Himalaya geplant. Er soll den längsten und tiefsten Canyon der Welt in einer Höhe von mehr als 1.500 Metern überspannen und jährlich bis zu 300 Milliarden Kilowatt Strom erzeugen. Der im März verabschiedete 14. Fünf-Jahres-Plan Chinas erwähnt das Projekt, nennt aber keine Details zum Zeitrahmen oder den Kosten.
Im Oktober unterzeichnete die tibetische Regionalregierung ein Kooperationsabkommen mit dem staatlichen, auf Wasserkraft spezialisierten Unternehmen PowerChina. „Die Region verfügt über die weltweit größten Ressourcen für Wasserkraft“, sagte der Chef von PowerChina, Yan Zhiyong, bei der Vorstellung des Projekts.
Naturschützer lehnen den gigantischen Staudamm ab, obwohl Peking ihn als umweltfreundliche Alternative zu fossilen Brennstoffen rechtfertigt. „Einen Damm in dieser Größe zu bauen ist aus vielen Gründen eine wirklich schlechte Idee“, sagt Brian Eyler, Programmdirektor für Energie, Wasser und Nachhaltigkeit beim US-Think-Tank Stimson Center.
Eyler argumentiert, dass das Gebiet zum einen erdbebengefährdet sei, zum anderen berge es eine einzigartige Artenvielfalt. Der Damm würde sowohl die Wanderung von Fischen blockieren als auch die Anreicherung des Bodens mit Sedimenten bei den saisonalen Überschwemmungen.
Die indische Regierung reagierte auf das chinesische Projekt mit Überlegungen, selbst ein Wasserkraftwerk am Brahmaputra zu errichten. „Es ist noch viel Zeit, um mit China zu verhandeln“, sagt Umweltexperte Eyler. „Ein schlechtes Ergebnis wäre, wenn Indien flussabwärts einen Damm bauen würde.“
Quellen: ORF/ Kurier