Das höchstgelegene Land der Welt liegt auf durchschnittlich 4.500 m, geprägt von karger Vegetation und einem ungewöhnlich rauen Klima. Dementsprechend schlicht und entbehrungsreich ist das Leben der Menschen. Vielleicht sind sie gerade deshalb so stark in ihrem buddhistischen Glauben verwurzelt, aus dem sie ihre Kraft schöpfen und ihre unerschütterliche Zuversicht, ihr Schicksal als unterdrücktes Volk zu ertragen. Denn täglich leiden sie unter den Repressalien durch ihre chinesischen Besatzer.
Geographie und Umwelt
Das ursprüngliche Tibet war beinahe so groß wie die gesamte EU. Die heutige Autonome Region Tibet erstreckt sich allerdings nur über das frühere Zentral-Tibet, also die ehemaligen Provinzen Ü und Tsang. Die im Osten gelegenen Regionen Kham und Amdo wurden in verschiedene chinesische Provinzen eingegliedert.
Die Hauptstadt Lhasa, auch als „verbotene Stadt“ bekannt, liegt im Herzen von Ü-Tsang. Das bekannteste Bauwerk Lhasas ist der Potala-Palast, einst der Winterpalast der Dalai Lamas.
Im Süd-Westen Tibets liegt der heilige und sagenumwobene Berg Kailash. Nicht nur für Buddhisten ist er ein begehrtes Pilgerziel, sondern beispielsweise auch für Hinduisten, Sikhs und Jains. Rund um den Berg Kailash entspringen die größten Flüsse Asiens, die den halben Kontinent mit dem lebensnotwendigen Wasser versorgen. Tibet birgt noch eine Vielzahl an anderen Ressourcen und Bodenschätzen, einer der Gründe, weshalb Tibet für China so interessant ist. Die tibetische Bevölkerung geht sehr sorgsam damit um. Ihnen ist die Empfindlichkeit dieses einzigartigen Ökosystems bewusst.
Die Menschen am Dach der Welt
Die TibeterInnen stehen im Einklang mit der Natur. Traditionell lebten viele als NomadInnen und zogen mit ihren Herden durchs Hochland. Besonders in den grünen Hügellandschaften im Osten des Landes wurde auch Landwirtschaft betrieben. Angebaut wird bis heute vor allem Gerste, die selbst in großer Höhe gedeiht. Geröstet und zu Mehl vermahlen nennt man sie Tsampa, das Grundnahrungsmittel in Tibet. Gerne wird es zusammen mit dem bekannten Buttertee gegessen. Buttertee liefert durch seinen hohen Fettgehalt ausreichend Energie für das Leben unter diesen harten Bedingungen.
Die Hauptstadt Lhasa hingegen entwickelt sich zusehends zu einer chinesischen Großstadt. TibeterInnen sind längst schon eine Minderheit im eigenen Land und leiden unter der strengen Überwachung und der Unterdrückung ihrer grundlegenden Rechte.
Die Rolle der Religion und des Dalai Lama
Der Buddhismus gelangte aus dem benachbarten Indien nach Tibet. Mit der Zeit vermischte sich die buddhistische Philosophie mit dem ursprünglich weit verbreiteten Bön-Glauben. Der Bön war zu dieser Zeit eine Naturreligion, die von Schamanismus geprägt war. Viele Elemente dieser Religion wurden von den tibetischen Buddhisten übernommen. Umgekehrt wurde auch der Bön-Glaube vom Buddhismus beeinflusst und wird in dieser Form vereinzelt noch immer praktiziert. Die Mehrheit der TibeterInnen lebt aber nach buddhistischen Prinzipien. Die Religion hat einen sehr hohen Stellenwert in ihrem Leben.
Ihr bekanntester spiritueller Lehrer ist Seine Heiligkeit der 14. Dalai Lama, der heute weltweit großes Ansehen genießt. Er wird als Verkörperung von Avalokiteshvara, dem Bodhisattwa des Mitgefühls angesehen. Das heißt er verzichtet darauf, als Erleuchteter den Kreislauf der Wiedergeburten zu verlassen, um allen Lebewesen dabei zu helfen, ihr Leid zu mindern.
Historisch hatten die Dalai Lamas neben ihrer religiösen Autorität auch die weltliche Macht in Tibet. Allerdings musste der 14. Dalai Lama 1959 vor den chinesischen Besatzern aus seiner Heimat fliehen und lebt seither in Dharamsala, Nord-Indien. Er ist bekannt für seinen gewaltlosen Widerstand gegen die chinesische Herrschaft in Tibet und den Einsatz für sein Volk. 1989 wurde er dafür mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Seine politischen Ämter gab er 2011 an die demokratisch gewählte Exilregierung ab und konzentriert sich seither auf seine religiösen Aufgaben.
Leben im Exil
Tausende TibeterInnen folgten dem Dalai Lama auf seiner Flucht. Schnell war klar, dass eine geeignete Infrastruktur nötig ist, um die tibetische Kultur in der Fremde zu erhalten und den Familien ein Leben im indischen Exil zu ermöglichen. Die tibetische Exilregierung, das Kultur-Institut TIPA (Tibetan Institute of Performing Arts) und die Kinderdörfer gehören zu den wichtigsten Einrichtungen.
Viele Jahre hat der Flüchtlingsstrom kein Ende genommen, bis 2008 die Grenze zwischen Tibet und Nepal abgeriegelt wurde. Noch immer leben viele tibetische Flüchtlinge in Indien und hoffen auf eine Rückkehr in ihre Heimat.
Wegen der schlechten Arbeitssituation und ihrer ungewissen Zukunftsaussichten drängen heute immer mehr TibeterInnen Richtung Westen in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Sie leben verstreut in der ganzen Welt. Doch die Leere ihrer verlorenen Heimat kann durch nichts gefüllt werden.